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Dienstag, 1. Juli 2014

Aggression - 2. Teil

In Fortführung unseres Juni-Posts haben wir die Gestalttherapeutin Luitgard Gasser befragt. In ihrer Praxis "Leben und Raum" führt sie für Frauen seit mehr als 20 Jahren Workshops zum Thema Aggression durch.

(1) Kann Aggressivität gut sein? - Wofür kann sie gut sein?
Aggression ist erst einmal Energie, Lebenserhaltungstrieb und Gestaltungskraft.  Im Grunde des Wortes ist sie erst einmal gut, weil lebenserhaltend. Abgeleitet von lat. "aggredere" bedeutet es "auf etwas zugehen, herangehen" und umfasst alles, was der Organismus tut, um mit seiner Umwelt Kontakt aufzunehmen. Es liegt an jeder/jedem Einzelnen von uns, was sie/er daraus macht. Grundsätzlich kann jede/r lernen, aggressive Gefühle sinnvoll einzusetzen anstatt sie sinnlos (meist destruktiv) zu entladen.
Und eine Anmerkung noch vorneweg: Es trifft nicht zu, dass Kinder immer aggressiver werden. Vielmehr sinkt die Anzahl der Täter. (lt. Untersuchungen). Aber die, die aggressiv werden, sind teils zunehmend hemmungslos.

(2) Wenn Kinder durch ihre Erziehung Aggression verleugnen bzw. ablehnen lernen - wie wirkt sich das in ihrem Erwachsensein aus?
Der Umgang mit aggressiven Gefühlen wie Groll, Ärger, Wut, Zorn, Hass wird hierbei nicht erlernt; weder mit den eigenen, noch mit entgegenkommenden Gefühlen. Aber nur wer weiß, dass er/sie notfalls auch anders könnte, kann sich für eine friedliche Lösung entscheiden.

Die individuellen Folgen sehe ich seit 20 Jahren in Workshops und in der Praxis:
- Depression und depressive Lebensmuster
- Mangel an Lebenslust, Lebensenergie und Lebensfreude
- psychosomatische Erkrankungen
- Ohnmachtsgefühle, unzureichende Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit
- erlernte Hilflosigkeit
- Schuldgefühle
- zunehmende Manipulierbarkeit
- Verlust an Unterscheidungsfähigkeit u.a.

Es gibt aber auch gesellschaftliche Folgen, und die sind meiner Einschätzung nach:
  • In Deutschland besteht die größte Armutsfalle darin, Frau und alleinerziehende Mutter zu sein. Ich verstehe dies so, dass wir subtile Aggression als solche nicht erkennen.
  • Kindern wird zunehmend genommen, was ihnen erlaubt, diese Gefühle zu leben: sich viel bewegen, rennen, laut sein, Krach machen, raufen, mit Erde spielen und sich schmutzig machen. Als Ersatz bieten wir: Therapie.
  • Verwirrung im Hinblick auf städtischen, staatlichen, privatwirtschaftlichen Macht und Machtansprüche. Die sich wehren, werden schnell zu Aggressoren gemacht.
  • Im Schatten scheinbarer Friedfertigkeiten (bezogen auf Deutschland) werden wir aggressiver im Sinne von lebensfeindlicher. Funktionieren ist angesagt.
  • Mehr Schein als Sein: Lautlos hat sich D auf Platz 3 der Waffenlieferanten vorgearbeitet
  • (siehe: Luitgard Gasser, Gestalttherapie, Forum für Gestaltperspektiven, 27. Jg., Heft 2/2013, S. 129 ff)
(3) Wie zeigen Männer Aggressivität? Wie zeigen Frauen Aggressivität? Was davon ist anerzogen? 
Männer sind eher direkt und konkret, zielgerichtet aggressiv, raumgreifend und raumnehmend in der Körperhaltung.
Frauen zeigen Aggressivität eher indirekt, hinterhältig, (sprachlich) subtil.
Abgesehen davon, dass der für Aggression zuständige Teil im Gehirn von Männern größer ist als bei Frauen, erachte ich beide Muster als anerzogen.

(4) Wieviel Aggression brauchen wir in Zukunft?
Konstruktive Aggression werden wir auch zukünftig brauchen. Für die uns gestellten Aufgaben brauchen wir alle uns zur Verfügung gestellten Fähigkeiten.

Stimmt - wie sehen Sie das liebe Leser?

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