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Dienstag, 1. März 2022

Das liebe Melantonin - winterschlafen und wieder aufwachen

Susanne: Im Dezember habe ich einen Artikel gelesen, in dem die Autorin dafür plädierte, dass wir Menschen uns einen Winterschlaf gönnen. Sie zählte viele Tiere auf, die das tun und erläuterte die Vorteile einer winterlichen Ruhepause. Vielleicht sollten wir in Fortbildungen, Meetings und Workshop, auch mal einen Gang zurückschalten?

Regina: Ja! Mehr Licht - Mehr Dunkelheit. Gerade die Dunkelheit ist wichtig. Wir leben gegen unseren natürlichen Rhythmus, wir hängen bis spät in die Nacht vor einem Bildschirm oder dem Handy, baden in blauem Licht - und stehen morgens trotzdem wieder früh auf. Wir werden auf diese Weise immer müder, dieser Kreislauf wird immer weiter angetrieben durch zu wenig Schlaf. 

Susanne: Ja - wahrscheinlich orientieren wir uns insgesamt zu wenig an einem jahreszeitlichen, äußeren Rhythmus, und stattdessen an den Aufgaben und den üblichen Arbeitszeiten: Das gibt dem Tag eine Struktur, egal wie hell es ist.

Ich für mich merke, ich bin im Sommer anders wach als im Winter - im Hellen raus, im Hellen wieder rein, das tut mir gut.

Regina: Im Sommer komme ich gefühlt mit weniger Schlaf aus. Und im Winter würde ich gerne um 8 noch liegen bleiben.

Susanne: Im Winter läuft viel kulturelles drinnen, und wir genießen Konzerte und Abendveranstaltungen - gerade auch in der typischen Weihnachtszeit …  Ich wache im Januar wieder auf, wenn die Tage gefühlt langsam heller werden. Ich ahne meine Energie.

Regina: Ich wache erst jetzt, Ende Februar, langsam auf, wenn die Vögel morgens wieder singen. Da kommt die Lebenslust wieder zurück.

Susanne: Du hast uns ja vorhin ein Buch gezeigt - warum schmökerst Du gerne darin?

Regina: Der von mir oft zitierte Spork rät dazu, dass jede(r) von uns sich fragt “Wann wäre meine Zeit, wenn ich von nichts äußerem ‘gezwungen’ werde, aufzustehen?” Das sollte/könnte jede(r) mal ausprobieren - und das Ergebnis kann in jeder Jahreszeit etwas anders ein. Spork plädiert dafür, dass wir ausgeschlafen sind und auf uns achten. Seiner Ansicht nach hätten wir dann weniger Burnout, weniger Schlafmangel, weniger Depressionen, weniger Gereiztheit und weniger Übergewicht

Susanne: Das hat ja auch viel mit Melantonin zu tun, oder?

Regina: Ja, Dunkelheit regt die Melantonin-Bildung an und Melantonin gibt den Ausschlag. Jugendliche bilden es deutlich später (am Tag) als Kinder und würden besser morgens lange schlafen anstelle von früh zur Schule gehen. Nach der Pubertät ändert sich das wieder.

Und: Aufgezwungene Schichtarbeit lehnt Spork ab. Die Nachtarbeit sollten man denen überlassen, die genau in der Nacht gut arbeiten können.

Susanne: Im Laufe unseres Gesprächs ist mir aufgefallen, dass es beim menschlichen Winterschlaf auch um ein Spannungsverhältnis geht: dem zwischen Körper und Geist. Auf der einen Seite geht es um körperliche Bedürfnisse und Notwendigkeiten. Sie stehen in Spannung mit der anderen Seite, unserem Wollen und (manchmal auch) Müssen, den Schlaf zu umgehen und die Wachzeiten auszudehnen. Kann es da einen Sieger geben? Ist es sinnvoll, den Schlaf zu bewingen? Was kostet uns das?


 

Susanne: Mich erinnert das an eine Skulptur von Lisa Lepper und Trix Rijpkema, die man hier hier auf dem Video sehen kann. Ein fester, stabiler Pfeiler, scheinbar unveränderlich, könnte unseren Körper mit seinen Bedürfnissen repräsentieren. Die Stoffbahnen mit ihrer Beweglichkeit, Leichtigkeit und Dynamik könnten für unseren Geist “stehen”. Die Stoffbahnen fragen: ich bin so wunderbar leicht - soll ich mich wirklich an den Stein anpassen? soll ich dem Stein nicht besser etwas leichtes geben? Und der Stein antwortet: “Ohne mich verwehst Du. Du brauchst mich, um wirken zu können.”

Regina: Und es gibt noch ein Spannungsfeld, das der Umwelt. Die Umwelt hat sich ja durch die Corona-Pandemie verändert. Wir haben im Home-Office erlebt, dass wir unseren Tag mehr nach unseren Bedürfnissen gestalten konnten: eine passende Zeit für das Mittagessen; kurz ausruhen, wenn wir am Nachmittag müde werden; einen kurzen Spaziergang, wenn die Sonne scheint. Das passt zu dem Vorschlag von Spork, diese Spannung mit der Umwelt zu lösen, indem wir selbstbestimmter agieren. Corona hat gezeigt, mehr Selbstbestimmung geht - solange nicht die Bedürfnisse einer ganzen Familie auf engem Raum miteinander in Einklang gebracht werden müssen …

Susanne & Susanne: Danke liebe Regina für alle Deine Impulse! Und Ihnen liebe Lesende: Wünschen wir einen guten Schlaf! Und gehen Sie an die Sonne, sobald sie sich zeigt. Gehen Sie raus an die frische Luft! Tanken Sie Sonnenlicht! Und: Regen Sie durch Dunkelheit Ihr Melantonin an!

Wie schon beim Post zum Zürcher Ressourcen Modell war heute wieder die Psychologin Regina Jauch bei uns zu Gast. Sie brachte das Buch “Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft” von Dr. Peter Spork mit.

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